Die große Täuschung mit den 5 Prozent fürs Militär
von Thomas ·

Seit Juni 2025 ist es offiziell: Die NATO hat beschlossen, dass Mitgliedsstaaten künftig fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung aufwenden sollen. Dafür hat sie laut jüngstem ZDF-Politbarometer angeblich sogar über 60 Prozent Zustimmung im Volk.
Wenn das tatsächlich repräsentativ sein sollte (Im Bekanntenkreis hört man anderes), verwundert dies. Ist es die Gewöhnung an immer höhere Zahlen? Erst 2 Prozent, dann 3,5 Prozent, jetzt 5 Prozent fürs Militär. Anscheinend ist den Befragten nicht die Dimension klar. Denn was, wenn wirklich 5 % des BIP für die Rüstungsindustrie und militärische Infrastruktur ausgegeben würden? Bei einem BIP von ca. 4,5 Billionen Euro aktuell wären das jährlich etwa 220–230 Mrd. Euro Kosten. Das ist fast die Hälfte des Bundeshaushalts.
Erstaunlich einmütig, von Ausnahmen wie die Berliner Zeitung abgesehen, folgen die grossen Medien der Linie der Regierung ohne sie kritisch zu prüfen. Statt zu hinterfragen übernehmen sie die Erzählung einer neuen Bedrohungslage und fordern wie bei Corona ein noch schnelleres Handeln.
Beispielhaft titelte die «NZZ» am 26. April 2025:
«Nato-Länder geben so viel für Verteidigung aus wie noch nie. Die Rekordausgaben der Verteidigungsallianz reichen aber längst noch nicht» (Print-Ausgabe).
Die Debatte in Talkshows verläuft ähnlich eindimensional: Wie lassen sich die Rüstungsausgaben realisieren? Wie lässt sich die pazifistische Grundhaltung des Volkes ändern hin zur Kriegsbereitschaft? Wo soll investiert werden – in Kampfpanzer, Drohnen oder Cyberabwehr?
Die grundsätzliche Frage, ob diese Milliarden an anderer Stelle dringender gebraucht würden, stellt kaum jemand. Auch Print- und Onlinemedien ignorieren Gegenstimmen weitgehend.
Es ist ungewöhnlich, Ausgaben in Prozent des BIP vorzugeben. Die Sozialausgaben, die Ausgaben für den Verkehr, für den Umweltschutz, für Renten oder für das Gesundheitswesen wurden noch nie in Prozent des BIP festgelegt. Selbst bei den Rüstungsausgaben geht es in den Parlamenten stets darum, welche konkreten Ausgaben nötig sind und wie viele Milliarden das kostet – und nicht um Prozent des BIP.
Die Bezugsgrösse BIP ist sachlich abwegig:
Steigt die Wirtschaftsleistung, steigen automatisch auch die Ausgaben fürs Militär – selbst wenn sich die Sicherheitslage nicht verändert. Und wenn das BIP wegen einer Krise schrumpft, soll gespart werden, auch wenn reale Bedrohungen sind? Das ist ökonomisch willkürlich, sicherheitspolitisch widersprüchlich und absurd. Üblich ist, staatliche Kernaufgaben – Bildung, Gesundheit, Infrastruktur – werden nicht in Prozent des BIP bemessen, sondern am tatsächlichen Bedarf und in Prozent des Haushaltes.
Es dürfte eine beabsichtigte Vernebelung sein.
Mit Erfolg wurde davon ausgegangen, dass Otto Normalverbraucher nicht klar zwischen „BIP“ und „Bundeshaushalt“ unterscheidet. Viele Befragte dürften fälschlich annehmen, es ginge um einen Bruchteil des Haushalts, was akzeptabel wäre. Eine differenzierte Befragung, bei der z. B. konkrete Euro-Beträge oder Vergleichswerte (z. B. „mehr als der gesamte Sozialetat“) genannt würden, hätten wahrscheinlich eine deutlich geringere Zustimmung zur Folge.

Denn was sind die Folgen dieser Fehlverteilung staatlicher Mittel?
* Kürzungen bei Sozialem, Gesundheit, Bildung oder Kultur. Das gefährdet den sozialen Frieden und fördert Extremismus.
*Höhere Steuern und kein Einhalten von Wahlversprechungen zur Entlastung der einfachen Bürger (Klimageld, Senken der Stromsteuer)
* Zusätzliche Schulden, die «Sondervermögen». Doch die Schuldenberge vieler EU-Länder sind schon heute gefährlich hoch. Es ist wahrscheinlicher, dass eine grosse Finanz- und Wirtschaftskrise die Demokratien in den Abgrund fährt, als dass Russland einen NATO-Staat konventionell angreift.
Noch mehr Waffen machen die Welt nicht sicherer, sondern gefährlicher. Doppelte Militärausgaben entziehen anderen existenziellen Bereichen Geld, Intelligenz und politische Aufmerksamkeit. Es droht ein Kontrollverlust über jene Krisen, die unsere Zukunft tatsächlich bedrohen.
Sogar Abrüsten wäre machbar – technisch, wirtschaftlich und politisch. In Zeiten satellitengestützter Überwachung könnten Abrüstungsverträge effizienter kontrolliert werden als je zuvor. Doch es fehlt der politische Wille. Und es fehlt die mediale Debatte. Jedenfalls kann sich die Welt eine weitere Aufrüstungsspirale nicht leisten. Sie braucht Vertrauen, Diplomatie – und Medien, die kritische Fragen stellen, statt Kriegsparolen zu wiederholen.
(Etliches veröffentlichte zuerst https://www.infosperber.ch/politik/welt/das-aufruesten-ist-kurzsichtig-die-risiken/)