Sind die Milliardenausgaben für Aufrüstung und „Kriegstüchtigkeit“ gerechtfertigt?
von Thomas · Veröffentlicht · Aktualisiert
Es scheint das Mantra akzeptiert zu sein: Wenn die Ukraine verliert, wird Russland als nächsten Polen oder Lettland angreifen. Minister Pistorius nannte im Interview mit dem Tagesspiegel (Tsp) einen „Zeitraum von fünf bis acht Jahren“, in dem er und die Experten seines Hauses einen russischen Angriff auf ein Nato-Land für möglich halten. Die Aussage scheint auf der Sicherheitskonferenz in München weitgehend Konsens zu sein. Laut Tsp. hat der niederländische Premier Ruttefür den Fall eines russischen Erfolges in der Ukraine „keinerlei Zweifel, dass Putin auf Nato-Gebiet weitermachen würde“. „Die Bedrohung durch Russland ist real“ sagt auch Kanzler Olaf Scholz.
Im Widerspruch dazu äußert in der gleichen Tagesspiegelausgabe eine Frau Hill vom US-Thinktank Brookings „Putin kalkuliert die Risiken, die er eingeht, sehr genau.“ Was denn nun? Putin selbst sagte im Interview mit Tucker Carlson, Russland habe keine territorialen Interessen in Polen und Lettland. Ein solcher Angriff widerspreche dem gesunden Menschenverstand, weil er einen Weltkrieg und damit das Ende der Menschheit heraufbeschwören könne.
Offensichtlich ist Putin kein Verrückter, sondern ein durch und durch rational denkender Mensch. Zudem wird er sehr genau wissen, wie das miltärische Kräfteverhältnis in der Welt ist.
Vergleich der Militärstärke von NATO und Russland im Jahr 2023 (Statista)
Offensichtlich ist der Grund ein anderer für die NATO-Länder, so viel Geld bereitzustellen für den Ausbau der Rüstungsindustrie und zur Erlangung von Kriegstüchtigkeit. Zum einen, dass erkennbar das vorhandene Kriegsmaterial nicht ausreicht, um die Ukraine hinreichend zu beliefern. Zum anderen, dass das frühere Verteidigungsbündnis NATO sich jetzt als Interventionskraft versteht und in der Lage sein will, selbst Kriege zu führen. Dass es der NATO darum geht, auch ohne UN-Mandat Weltpolizist spielen zu können wie aktuell vor Jemens Küste, dürfte dem Normalbürger kaum bewusst sein.
300 Milliarden Sonderschulden(„-vermögen“) sind in der Diskussion (auch für Käufe wie z.B. 14.000 Euro für einen Soldatenkopfhörer). Wie ich schon in meinem Beitrag „Warum die Mehrheit mit unserer Ampelregierung unzufrieden ist“ kritisiert habe, ist die Ukraineunterstützung für unsere Regierung das Wichtigste. Das eigene Land wird nachrangig bedient. Und so können die hier benötigten Gelder nur teilweise zur Verfügung gestellt werden.
„Zum Wohle des Landes handeln und Schaden abwenden“ gemäß des Amtseides sieht anders aus.
Die militärische Lage in der Ukraine sieht schlecht aus. Es fehlen den Verteidigern Munition und Soldaten, die bereit zum Sterben sind. Da vom Siegen derzeit nicht zu träumen ist, scheint die NATO-Seite aktuell die Zielsetzung zu haben, erst einmal Zeit zu gewinnen, um dann in einigen Jahren nach massiver Aufrüstung vielleicht die Ukraine vollständig befreien zu können. Nach zwei Jahren Krieg muss man wohl feststellen, dass wir einen Verschleißkrieg analog zum Koreakrieg sehen, der irgenwann nach vielen Toten und Ermüdung beider Seiten in einem Waffenstillstand ohne Frieden endet.
Zunächst muss sich wohl die NATO eingestehen, dass es ein Fehler war, diesen Krieg zu provozieren. Die Zusicherung im Jahr 2021, Ukraine nicht in die NATO und dort keine NATO-Infrastruktur, hätte Putin laut Stoltenberg gereicht.
Dann kommt die Schadensbegrenzung. Jede Eskalation kann im atomaren Fiasko der Erde enden, auch unabhängig vom Menschen durch einen technischen Fehler. Die Münchener Sicherheitskonferenz stand unter dem Motto „Frieden durch Dialog“. Aber der wichtigste Dialogpartner, Russland, war nicht eingeladen, sondern überwiegend waren es Teilnehmer, die der Meinung sind, Konflikte ließen sich nur durch militärische Mittel lösen. Dialog, Meinungsaustausch, Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien, Diplomatie ist das Gebot der Stunde.
Stattdessen ist die EU sich einig, den Krieg immer weiter zu betreiben. Die fernen USA berührt es weniger, wenn in Europa immer mehr zerstört wird. In der Ukraine sind es Land und Leute; in den EU-Ländern sind die Schäden indirekt und nicht gleich offen auf der Hand liegend, gleichwohl vorhanden, weil das Geld für Wichtiges im eigenen Land nicht ausreicht.
Ein interessanter Artikel auf Telepolis beschreibt, wie die EU Außenpolitik nur auf die Interessen der USA ausgerichtet ist, und nimmt als Erklärung, die EU wurde gehackt. „Das auffälligste Merkmal der europäischen Außenpolitik ist die enorme Selbstbeschädigung. Europa hat eine Politik betrieben, die sich gegen sich selbst und für die USA ausgewirkt hat. Das ist das klassische Merkmal von Hacking.“