Englands “freedom day” top oder flop ?
von Thomas · Veröffentlicht · Aktualisiert
Was können wir bezüglich Corona von anderen Ländern lernen ?
Großbritanniens Parlament hat erst vor wenigen Tagen Premier Johnson gerügt wegen seines zögerlichen und unzureichenden Corona-Handelns, das vermeidbar zu vielen Todesfällen geführt hätte. Nichtdestotrotz hat er nach Erreichen einer Impfquote von über 60 Prozent es gewagt, ab dem 19. Juli des Jahres sämtliche Corona-Restriktionen zu beenden. Was ist daraus geworden?
Erkennbar ist auf der Grafik rechts, wie nach dem Ende der Corona-Auflagen die Zahl der Neuinfektionen deutlich ansteigt und dieser Trend mit Schwankungen noch weiter anhält. Dasselbe geschieht in den Niederlanden und in Dänemark, die diesen Lockerungsschritt ebenfalls seit September gegangen sind.
In den zuvorigen Corona-Wellen führten die schweren Krankheitsfälle mit etwa zwei Wochen Verzögerung zu entsprechender Krankenhausbedürftigkeit. Die resultierenden Be- und Überlastungen der Gesundheitssysteme hatten weltweit Regierungen zu harten Eindämmungsschritten (lockdown mit allen Folgen) veranlasst.
Jetzt im Oktober 2021 bewirken Neuinfektionen deutlich seltener eine Krankenhausbedürftigkeit. Beispielsweise kamen in Berlin von 22206 Neuinfizierten am 28.11.20 zwei Wochen später 1374 Menschen wegen Corona im Krankenhaus (6,2 %). Von 11938 Neuinfizierten am 17.9.21 sind es nun nur noch 190 (1,6 %). Das ist eine Abnahme auf ein Viertel. Die erreichte Impfquote dürfte einen wesentlichen Anteil an dieser Besserung haben.
Der gleiche Effekt ist im Vereinigten Königreich (UK) zu beobachten. Dort gab es nach 23459 Neuinfektionen am 28.11.20 zwei Wochen später 16909 Krankenhausaufnahmen (72 %). 50435 Neuinfektionen am 14. Oktober diesen Jahres brachten 7100 Menschen zwei Wochen später ins Krankenhaus, 14 %, also ein Rückgang auf ein Fünftel gegenüber 2020. (Dass in Deutschland so drastisch weniger Menschen wegen Corona ins Krankenhaus müssen, liegt an der Möglichkeit, bei uns in Arztpraxen qualifiziert ambulant behandeln zu können. Im Ausland müssen Kranke ins Krankenhaus, wenn sie eine anspruchsvollere Therapie benötigen. In England kommt hinzu, dass das Gesundheitswesen unterfinanziert und die Ressourcen begrenzt sind. )
Interessanterweise hat das Ende der Coronaauflagen in England keinen Einfluss auf die Sterberate an oder mit Corona wie nebenstehende Grafik zeigt. Die Kurve bewegt sich nahezu horizontal.
Zusammenfassend läßt sich sagen, ein völliges Ende aller Coronavorsichtsmass- nahmen lässt die Zahl der Neuinfektionen stark steigen. Das führt jedoch nicht mehr zu einer übermäßigen Belastung des Gesundheitswesens. Zudem bewirkt die Zunahme der Neuinfektionen keine erhöhte Corona-Sterblichkeit mehr.
Was können wir daraus für uns ableiten ?
- Zu Recht ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen kein Maßstab mehr bei uns für das Handeln bezüglich Corona. Es reicht, die Belastung des Gesundheitswesens als Parameter zu nehmen.
- Deshalb stellt sich die Frage, macht es weiterhin Sinn, Gesunde zu testen? Bislang wurde während Grippezeiten auch nicht getestet, ob ein Gesunder Influenzaviren auf seinen Schleimhäuten hat, ehe er mit anderen Menschen in engeren Kontakt treten darf.
- Die Testerei bringt den Vorteil, einen guten Überblick über das Infektionsgeschehen zu haben, und den Nutzen, durch Quarantäne Infizierter die Infektionsweitergabe zu begrenzen. Wiegt das die Nachteile auf? Testkosten, Verunsicherung, Verhindern normalen Gesellschafts- und Wirtschaftslebens, Spaltung der Menschen in Geimpfte und Ungeimpfte. Ich meine Nein. Wie am Beispiel Englands zu sehen schaden üppige Corona- Infektionszahlen nicht mehr so sehr.
- Nichtdestotrotz haben wir mit der herbstlichen Zunahme der Neuinfektionen auch wieder mehr Corona-Krankenhausaufnahmen, wenn auch in viel geringerem Maße. Insofern scheint es sinnvoll, das Masketragen bei engerem Kontakt mit fremden Menschen zunächst beizubehalten. Norwegen und Schweden sehen das wie Dänemark anders. Sie haben jetzt im September ebenfalls ihre Coronaschutzmassnahmen beendet. Tanzen im Club ohne Maske und Abstand, Sport oder Konzerte vor Tausenden von Leuten ohne komplizierte Auflagen sind auch dort wieder möglich.
- Die Leitmedien und das RKI haben Seehofers Wunsch, mit Ängsten das Volk zur Coronadisziplin zu drängen, erfüllt und befolgen ihn noch immer. Dass viele angekündigte Katastrophen nicht eingetreten sind, wird nicht thematisiert; den falschen Propheten wird weiterhin Stimme gegeben. So sind trotz der gewissen Entspannung viele im Volk weiterhin irrational verängstigt. Da können wir den skandinavischen Ländern und England nicht einfach folgen. Zunächst müssen entspannende Berichte veröffentlicht werden, die die Fortschritte bei der Corona-Bekämpfung hervorheben, damit Furcht gemindert und Akzeptanz für Lockerung auch in Umfragen erreicht wird.
- Einige unsinnige Handlungen, die zu Corona-Beginn mangels Wissen um den Coronainfektionsweg über Aerosole befohlen wurden, sollten sofort eingestellt werden. Ich denke z.B. an das Desinfizieren benutzter Tische und Stühle in der Gastronomie, auch von Schreibuntensilien. Das Erfassen, wer wo sich in der Öffentlichkeit bewegt, ist meines Erachtens ebenfalls schon ersatzlos zu streichen. Denn den Infektionsweg zurückverfolgen gelingt trotzdem oft nicht wie jüngste Beispiele zeigen. Der Nutzen steht hier im krassen Missverhältnis zu Aufwand und Schaden. Bei einem Verzicht würde das Kulturleben wieder schneller in Gang kommen. Ich und sicher viele andere verkneifen sich weitgehend Theater, Konzerte u.a., weil die eigene Freizeitgestaltung keinen anderen Menschen etwas angeht.
- Sinnvoll ist, hier in Deutschland zwei Städte ähnlicher Größe und Struktur auszuwählen. In der einen werden die Coronavorgaben testweise beendet, die andere gilt als Vergleichsgruppe. Der Tübinger Versuch kam lediglich zu früh und scheiterte mangels Geimpfter.
- Wichtig ist, sich bewußt zu bleiben, dass hohe Neu-Infektionszahlen nur noch eine geringe Bedeutung haben. Beipielsweise sind die jetzt gemeldeten Zahlen weit über 100 bei Kindern kein Grund zur Beunruhigung und kein Anlass, wieder in Kita und Schule zu Maske und Quarantäne zu greifen.Wenn Kinder an Corona überhaupt manifest erkranken, zeigen sie meist milde und sehr sehr selten schwere Verläufe.
Dieser Beitrag ist eine Momentaufnahme. Mitte, Ende November werden wir genauer wissen, ob neben England auch die skandinavischen Länder gut mit ihrer Lockerung fahren.
(Falls Sie gendergerechte Formulierungen vermissen, verweise ich auf meinen Beitrag “Gendergerechte Schrift – Ein Irrweg“. Das Geschlecht oder Nichtgeschlecht spielt in obigem Text keinerlei Rolle.)